Festschrift - Leporello

1914 - 1918 Ein Kraftakt in den Krisenjahren

1914 - 1918 Krisenjahre - und ein Kraftakt


Ende des 19. Jahrhundert verstummt der Männerchor. Der Chronist vermerkt „er schlief in „Orpheus Armen“. Die Gründe dafür sind unbekannt. Ab 1902 beginnt sich der Chor wieder zu regen. So richtig Fahrt nimmt das Vereinsschiff aber erst mit Kaplan Hoher (Dirigent von 1908 - 1920) auf. Er ist eine markante Persönlichkeit mit ausserordentlichen organisatorischen und musikalischen Fähigkeiten. Der deutsche Geistliche ist die Konstante in einer Zeit von oft jährlich wechselnden Vereinspräsidenten. Diese Stabilität ist für den Verein wichtig. Denn die Zeit des ersten Weltkriegs ist ähnlich unruhig wie die 1850-er Gründungsjahre.

 

Zwar bleibt die Schweiz vor dem Krieg verschont. General Wille braucht aber die arbeitsfähigen Männer in der Armee. Bei knappem Sold und fehlendem Erwerbsersatz bewachen sie die Grenze. Viele Betriebe und Familien stehen vor dem Ruin. Nahrungsmittel und Konsumgüter sind rationiert. Die Teuerung ist massiv. Dazu kommen Tausende Internierte, die versorgt werden müssen. Soziale Unrast greift um sich. Sie wird sich 1919 im Generalstreik entladen. Der Staat ist klamm, vereinzelt kommen private Organisationen, wie die Schweizerische Nationalspende, den am schlimmsten Betroffenen zu Hilfe.

Auch im Männerchor Küssnacht ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Proben finden, mangels Männer, nur sporadisch statt. Und doch zeigt sich, dass gerade in Krisenzeiten Menschen zu Grosstaten fähig sind. Jedenfalls rafft sich der Verein ein paar Monate vor Kriegsende zu einem Exploit auf. Zusammen mit dem Cäcilienverein und Solisten aus der ganzen Schweiz präsentiert der Männerchor am 7. Juli 1918 zweimal hintereinander ein äusserst anspruchsvolles Konzert. Wenn man das Programmheft betrachtet, kann man nur staunen über die Standfestigkeit der Ausführenden, aber auch über das Sitzleder der Zuhörerschaft. Denn unter zwei Stunden ist so ein Programm kaum zu bewältigen. Ein «Deutsches Internierten-Orchester» begleitet die Ensembles, Kaplan Hoher dirigiert! Der deutsche Staatsbürger Hoher hat beim Engagement des Orchesters wohl die Hände im Spiel gehabt. Die Einnahmen gehen an die Schweizerische Nationalspende.

Kurz nach dem Konzert untersagt der Bundesrat jeglichen Probenbetrieb wegen der Spanischen Grippe. Die Schweiz steht still. Corona lässt grüssen.

 

 

Übrigens, Kaplan Hoher, «der beste Musikdirektor, der bis anhin in Küssnacht wirkte», so das Lob von Bezirksammann Alois Trutmann, schockt den Männerchor 1920 mit seiner Demission aus heiterem Himmel. Er hat sich nicht etwa mit den Sängern überworfen, sondern eher mit den kirchlichen Autoritäten. Er verlässt Küssnacht Knall auf Fall und stirbt in Bern als christkatholischer Geistlicher.